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Käthe Kollwitz – Eine deutsche Protestkünstlerin, die mutig ihren eigenen Weg ging

Käthe Kollwitz - Beim Dengeln (Blatt 3 aus dem Zyklus "Bauernkrieg")

Käthe Kollwitz – Eine deutsche Protestkünstlerin, die mutig ihren eigenen Weg ging

Kaum ein anderer Künstler vermochte das Leid und die bitteren Erfahrungen einfacher Arbeiter und Bauern im Krieg authentischer darstellen als die Zeichnerin Käthe Kollwitz. Fest entschlossen, die Not der ärmeren Bevölkerung in packenden und wahrheitsgemäßen Bildern festzuhalten, half sie ihnen auf diese Weise eine öffentliche Stimme zu bekommen. Darüber hinaus widersetzte sich die selbstbewusste Deutsche den damals herrschenden Trends – im künstlerischen wie im politischen Sinne. Während der Machtergreifung der Nationalsozialisten war Kollwitz eine der wenigen Personen der Öffentlichkeit, die resolut Widerstand leistete. Schlussendlich wurde ihr diese offenkundige Ablehnung zum Verhängnis. Ihre primären Arbeitswerkzeuge waren rabenschwarze Kohlestifte mit denen sie ihre dynamischen Skizzen entwarf. Zusätzlich nutzte sie geschickt die ausdrucksstarken Kräfte der Druckmedien, um ihre pazifistischen Gefühle ungeschminkt wiederzugeben. Indem Kollwitz der Öffentlichkeit schonungslos den Spiegel vorhielt, war sie imstande die Herzen der Menschen zu berühren. Das sozialkritische Ausnahmetalent ließ sich nicht von den expressionistischen Tendenzen jener Zeit beeindrucken. Tapfer und beherzt verfolgte sie ihren eigenen Stil. Käte Kollwitz hinterließ eine grafische Abrechnung der Auswirkungen des Krieges, die sowohl in ihrer Dimension als auch in ihrer brutalen Ehrlichkeit einzigartig ist.

Empathie und Engagement

Damit ihre Bilder von möglichst vielen Menschen verstanden werden konnten, konzentrierte sich Kollwitz darauf, ihre Porträtierten in wahrheitsgetreuen Szenarien darzustellen und verzichtete auf melodramatische Effekte. Stattdessen fing die begabte Grafikerin intime Momente ein; war dabei jedoch nie voyeuristisch. Stets darauf bedacht, die Opfer des Krieges respektvoll und schwierige Themen wie Armut, Verlust und Rebellion mit Würde zu behandeln, verwandelte sie die Erlebnisse von Einzelpersonen in symbolträchtige Bildnisse, mit denen sich auch andere Menschen identifizieren konnten.
Im Laufe ihrer künstlerischen Ausbildung entdeckte die junge Kollwitz, die eigentlich Malerin werden wollte, ihre Affinität zur Druckgrafik. Sie gab die Malerei auf und widmete sich verschiedenen Drucktechniken. Nach jahrelangem und intensivem Experimentieren mit unterschiedlichsten Methoden, fand Kollwitz ihren unverwechselbaren Stil. Ihre Kompositionen sind stark vereinfacht und konzentrieren sich auf das Wesentliche. Von jedem überflüssigen Detail entfernt, strahlen ihre Werke eine Emotionalität aus, die universell verstanden werden konnten. Dennoch blieb sie dem Naturalismus verpflichtet und driftete nie in die völlige Abstraktion ab. Ihrer Meinung nach ließe sich die Tiefe der Emotionen, die Moderne und der Krieg nur über die Gegenständlichkeit vermitteln, obgleich viele ihrer Kollegen auf expressionistischen Wegen immer abstrakter wurden. Käthe Kollwitz betrat die Bühne der Kunst als moderne Frau, die willensstark mit Traditionen brach und abseits von Kunstbewegungen und männlich dominierten Strömungen neue Wege für weibliche Künstler schuf. Mit Einfühlungsvermögen untersuchte sie das Leben in all seinen Facetten.
Neben ihren Porträts von Frauen, die demonstrieren, trauern oder hart arbeiten, beschäftigte Kollwitz sich mit dem komplexen Thema der Mutterschaft. Am bekanntesten sind jedoch ihre Antikriegsbilder.

Käthe im Wunderland

In ihrer Kindheit kam die kleine Käthe schon früh mit progressiven Ideen und fortschrittlichen Werten in Kontakt. Ihre Eltern vertraten beide radikal politische Ideologien und sprachen sich gegen den autoritären preußischen Staat aus. Sie unterstützen ihre vier Kinder auf ihren beruflichen Lebenswegen und sorgten für die bestmögliche Bildung und Ausbildung. Die kleine Käthe war ein schüchternes und nervöses Kind, das zu ängstlichen und negativen Emotionen neigte. Diese konnten sogar Anfälle auslösen. Später führten Kunsthistoriker diese Zustände auf das Alice-im-Wunderland-Syndrom zurück. Es bezeichnet die halluzinatorisch veränderte Wahrnehmung von Menschen und Umgebungen. Ständig mit der Trauer ihrer Mutter konfrontiert, die den Tod von drei ihrer insgesamt sieben Kindern ertragen musste, konnte sich Käthe erst als Erwachsene ästhetisch mit dem verborgenen Leid ihrer Kindheitstage auseinandersetzen ohne selber daran zu zerbrechen. Viele dieser Kindheitserinnerungen verarbeitete Kollwitz in ihren Werken.
Als junge Frau zog Käthe nach München. Nach ihrer Lehre bei dem Kupferstecher Rudolf Mauer in ihrer Heimatstadt Königsburg studierte sie Malerei an der Kunstschule für Frauen in der bayerischen Hauptstadt. Das Malen frustrierte sie so sehr, dass sie noch während Ihres Studiums ehrgeizig nach neuen Möglichkeiten des künstlerischen Ausdrucks Ausschau hielt. Als ihr ein Essay des Malers Max Klinger in die Hände fiel, erkannte Käthe das sie in Wahrheit eine Grafikerin war.
Auch privat stand die junge Frau vor einer großen Herausforderung: Sich für eine künstlerische Karriere zu entscheiden oder den Weg einer Mutter und Hausfrau einzugehen. Hin- und hergerissen zwischen den Optionen, beeinflusste sie zudem ihr Vater, ihre Freundinnen und andere Kunststudentinnen. Würde die verheißungsvolle Zukunft als Künstlerin durch eine Heirat beeinträchtigt werden? Sie wurde mit Spott von ihren Kommilitonen und übertriebener, väterlicher Sorge konfrontiert. Doch als echter Gefühlsmensch gab Käthe im Jahr 1891 ihrem langjährigen Freund Dr. Karl Kollwitz das Ja-Wort. Karl war ein Waisenkind gewesen und bekennender Sozialist. Kennengelernt hatten sich die beiden während der Lehre bei Rudolf Mauers. Nach dem gemeinsamen Umzug in die lebendige Kulturstadt Berlin trat Karl eine Stelle als Arzt an. Käthes Atelier befand sich gegenüber der Praxis ihres Mannes. Karls Patienten gehörten der Arbeiterschicht an. Einige Patientinnen blieben nach einer Untersuchung zum Gespräch bei Käthe im Studio oder standen Käthe Modell. Auf diese Weise hörte die mitfühlende Künstlerin unmittelbar von den Tiefen und Höhen der unteren Bevölkerungsschichten. Diese bewegenden Begegnungen brachte Kollwitz dazu sich fortan für soziale Gerechtigkeit einzusetzen.
Das Glück der Eheleute vervollständigten 1892 und 1896 die Geburten ihrer Söhne Hans und Peter.
Immer wieder machte die glückliche Mutter ihre Kinder zum Thema ihrer Arbeit. Trotz der Anforderungen der Mutterschaft konnte sich Kollwitz weiterhin mit ihrer Kunst beschäftigen – dank der emotionalen und finanziellen Hilfe ihres fürsorglichen Ehemanns und der Unterstützung einer Haushälterin. Ihrer privilegierten Position war sich die hingebungsvolle Mutter und Künstlerin durchaus bewusst. Wahrscheinlich war dieses Bewusstsein auch die ausschlaggebende Motivation bei der Adoption des elfjährigen Georg, der Sohn einer ehemaligen Klassenkameradin, die mittlerweile in Armut in Paris lebte und die doppelte Belastung von Arbeit und Familie nicht mehr tragen konnte.

Solidarität und Pazifismus

Das Theaterstück von Gerhart Hauptmann, das von dem Bauernaufstand im Jahre 1844 erzählt, inspirierte die politisch engagierte Künstlerin zu einer Druckserie für die sie sogar andere Projekte einstellte. Nachdem sie für diese Leistung die nationale Goldmedaille für herausragende Künste erhalten hatte, wurde Kollwitz fast über Nacht zur bedeutendsten Künstlerin des Landes. Bald darauf wurde sie als einzige Frau in die avantgardistische Berliner Secessiongruppe aufgenommen. Vorrangig widmete sich Kollwitz der zeichnerischen Wiedergabe der Ausbeutung der Arbeiterschicht sowie der Armut in der Großstadt. In den Vordergrund ihrer Arbeiten rückten jedoch vermehrt Frauenporträts. Am liebsten feierte sie in ihren Drucken weibliche Figuren, die mit Ausdauer, Mütterlichkeit und Beharrlichkeit die Revolution anführten. Zusätzlich kamen ihre sozialistischen Werte immer stärker zum Vorschein. Hauptsächlich wurden diese Werke in progressiven Zeitschriften abgebildet. Da die Replikation von Druckerzeugnissen einfach, schnell und kostengünstig ist, konnte sich auch die breite Masse Kollwitz´ Bilder leisten.
Als es zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges kam, wurde Kollwitz aktiv: In einer Armenküche nahm die energische Künstlerin eine Stelle als Köchin an. Kurz darauf fiel ihr jüngster Sohn Peter in der Schlacht. Noch intensiver als je zuvor, verpflichtete sich Kollwitz dem Pazifismus, aber schloss sich nie einer politischen Partei an.
Nachlassendes Sehvermögen zwang die talentierte Grafikerin zu drastischem Umdenken. Denn die Druckgrafik verlangte Präzision. Berührt von den Arbeiten des Bildhauers und Druckers Ernst Barlach, stürzte sich Kollwitz in ihre nächste Leidenschaft. Holzschnitte und skulpturalen Projekten erweiterten ab 1920 das Repertoire Zeichnerin.
Spätestens als Kollwitz 1927 die Sowjetunion als gefeierter Gast zum Jahrestag des kommunistischen Staates besuchte, galt sie als internationale Berühmtheit.

Charakterfeste Integrität

Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere am Ende der Weimarer Ära, stellte Kollwitz eine Assistentin ein, die sich unter anderem um die Verwaltung ihrer zunehmenden Korrespondenzen kümmerte. Außerdem nahm sie eine lukrative und angesehene Professur an der Preußischen Akademie der Künste an. Doch der Aufstieg der Nationalsozialisten zwang Kollwitz dazu ihren Posten aufzugeben. Ihre künstlerische Arbeit, die offen einer linken Gesinnung entsprang, wurde zensiert. Die Gestapo startete 1936 eine Kampagne gegen Kollwitz, die das Leben der reifen Künstlerin ein ganzes Jahr überschatten sollte. Als mit der Abschiebung in ein Konzentrationslager gedroht wurde, schalteten sich zur Unterstützung und zum Schutz der Familie Kollwitz Gemeindemitglieder und Gleichgesinnte ein. Trotz der Beharrlichkeit der Eheleute Kollwitz, die eisern bei einer entschlossenen Anti-Nazi-Haltung blieben, wurden die Drohungen nie ausgeführt. Dennoch trugen Käthe und Karl stets Giftflaschen mit sich, sollte es dennoch zu einer Gefangennahme durch die Nationalsozialisten kommen. Eine Bleibe in den USA, die ein großzügiger Sammler anbot, lehnte das Paar ab, um bei Familie und Freunden in Deutschland zu bleiben. Zwei Jahre nach der erfolglosen Kampagne gegen Käthe Kollwitz wurde die Praxis ihres Mannes geschlossen. Nun waren es die Aktivisten selbst, die Armut, Diffamierung und Leid ertragen musste. Wie zum Hohn verwendeten die Nazis Käthes Bilder als eigene Propaganda, da diese weithin bekannt und emotional leicht zugänglich waren.
Karl Kollwitz starb 1940. Die Witwe Käthe entkam 1943 nur knapp einem Bombenanschlag bei der zahlreiche Werke, Briefe und Fotografien zerstört wurden. Doch am meisten quälte sie der Verlust der Erinnerungsstücke an ihren Mann und ihren verstorbenen Sohn. Verzweifelt über die sinnlose Zerstörung des Krieges und die unerträgliche Zahl der Toten, gab die einstige Kämpferin erschöpft auf: Bis zum Ende ihres Lebens quälten sie Selbstmordgedanken. Käthe Kollwitz starb am 22. April 1945 an Herzversagen im Alter von 78 Jahren.

In den Annalen der Moderne ist der Protestkünstlerin Käthe Kollwitz ein anerkennender Platz sicher. Die starke Frau und engagierte Grafikerin inspirierte zahlreiche sozialkritische Kunstschaffende. Als Gründerin der Gesellschaft für Künstlerinnen, erster weiblicher Abteilungsleiter und Professorin der Preußischen Kunstakademie ebnete sie den Weg für die berufliche Gültigkeit von Künstlerinnen maßgeblich mit.

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