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Maler des modernen Lebens – Édouard Manet und seine große Sehnsucht nach Anerkennung

Edouard Manet - Luncheon on the Grass

Maler des modernen Lebens – Édouard Manet und seine große Sehnsucht nach Anerkennung

Der französische Poet Charles Baudelaire rief seine Künstlerkollegen dazu auf, das moderne Leben zu malen. Édouard Manet befolgte diesen revolutionären Ruf wie kein anderer. Seine ehrgeizige Entschlossenheit machte ihn zu einem einflussreichen Künstler des Impressionismus. Manet genoss eine künstlerische Ausbildung und Erziehung von höchster Klasse. Doch im Laufe seiner Karriere brach er mit genau diesen akademischen Konventionen. Provokation und auffallend originelle Bildmotive des städtischen Lebens machten ihn zum enfant terrible der europäischen Kunstszene der damaligen Zeit. Es war lange üblich, Manet den Impressionisten zuzuordnen. Denn der skandalträchtige Franzose hatte sich auch selbst der impressionistischen Bewegung zugehörig gefühlt. Heute ist es kunsthistorisch anerkannt, dass Manet ebenfalls mit dem Realismus und dem Naturalismus verbunden war. Zudem hat auch die spanische Kunst des 17. Jahrhunderts den Maler maßgeblich beeinflusst. Diese vielseitigen Interessengebiete zwischen einerseits zeitgenössischem Realismus und andererseits alten Meisterwerken bildeten das entscheidende Fundament für seine Pionierleistung in der modernen Malerei. 

Trendsetter 

Manets Bestreben Malereien aus vorigen Jahrhunderten durch eine Veränderung der konventionellen Elemente zu erneuern, brachte eine neue Sichtweise in die Malerei. Durch das Einfügen anderer Inhalte veränderte er traditionelle Genre. Er betrieb sozusagen eine künstlerischen Aktualisierung akademischer Sujets. Dabei legte Manet eine behutsame Sensibilität für das Vergangene und die eigene Gegenwart an den Tag. Trotz dieses klugen Gespürs für den Zeitgeist war seine neuartige Herangehensweise Ursache für viele Skandale.
Eine weitere von Manets Errungenschaften, war die Popularisierung der Alla Prima Malerei. Bei dieser Technik legt ein Maler den Farbton fest, anstatt die Farben schrittweise in Schichten aufzutragen. Der festgelegte Farbton entsprach bei Manets Vorgehensweise schon zu Anfang dem von ihm gewünschten Effekt. Unter den impressionistischen Malern verbreitete sich diese Technik wie ein Lauffeuer, denn sie war ideal für die Freilichtmalerei und das Auffangen von Atmosphäre und Lichtverhältnissen, die sich rasch und willkürlich ändern.
Manet ging noch einen Schritt weiter: Neben seinem lockeren Umgang mit Farbe bediente er sich an einer schematischen Wiedergabe von Formen. Aufgrund dieser spezifischen Darstellung von Volumen wirkten seine Bilder in einigen Bereichen flach. Unter Kunsthistorikern gilt Manets „Flachheit“ als erste seiner Art in der Geschichte der modernen Kunst.

Der bürgerliche Junge wird Künstler

Édouard Manets Familie gehörte zu der oberen Mittelschicht. Sein Vater war Beamter des hohen Dienstes, seine Mutter eine engagierte Diplomatentochter. Der kleine Édouard wuchs mit zwei jüngeren Brüdern in Paris in einem gutbürgerlichen Umfeld auf, das geprägt war von sozialem Konservatismus und finanzieller Sicherheit. Als mittelmäßiger Schüler, der mit Regeln und Autoritäten nicht harmonisierte, war der Familie schnell klar, dass er keine konventionelle Karriere einschlagen würde. Im Alter von dreizehn Jahren durfte er sich in die Zeichenklasse der sogenannten Rollin Schule einschreiben. Obwohl er dort seine Leidenschaft für das Malen entdeckte, erklärte er sich auf Anraten seines Vaters dazu bereit, die Marineakademie zu besuchen.
Letztendlich trat er aber der Handelsmarine bei, da er die Aufnahmeprüfung in die Akademie nicht bestanden hatte. Nach seinen Berufserfahrungen als Pilot unternahm Manet im Jahre 1849 seine erste große Auslandsreise nach Rio de Janeiro in Brasilien, um den bürgerlichen Pflichten zu entfliehen. In Südamerika verbrachte er ein ganzes Jahr damit Zeichnungen und Gemälde anzufertigen und das freie Künstlerleben zu genießen. Als Manet in die Heimat zurückkehrte, konnte er seinen strengen Vater, der den künstlerischen Ambitionen seines Sohnes mit elterlicher Besorgnis und Skepsis begegnete, mit eben diesem Portfolio von seinem Talent und seinem Berufswunsch überzeugen. Offenbar war die Anerkennung des Vaters von großer Bedeutung für den Freigeist Édouard.

Künstlertum statt Familienleben

Auf Dutzenden von Manets Skizzen und Malereien taucht ein Junge namens Leon auf. Es wird vermutet, dass Leon der uneheliche Sohn aus seiner Affäre mit der Klavierlehrerin seiner Familie – Suzanne Leenhoff – war. Um einen gesellschaftlichen Skandal zu vermeiden, gab Suzanne den Jungen an ihre Familie weiter. Der erst zwanzigjährige Manet fühlte sich von den gemischten Gefühlen überfordert. Als Ablenkung von der prekären Situation reiste er nach Italien und stürzte sich in die Malerei. Zu allem Überdruss begann Manets Vater erneut damit Widerwillen über seine künstlerischen Ziele zu äußern. Getreu seiner ungehorsamen Persönlichkeit verfolgte Manet seine Kunstkarriere jedoch vehementer denn je. 1850 entschied sich der junge Mann trotzdem gegen ein Studium an der renommierten Pariser Kunstakademie. Stattdessen wurde er Lehrling im Atelier des Künstlers Thomas Couture. Couture ermutigte seine Studenten darin einen persönlichen Ausdruck zu entwickeln und sich nicht an die ästhetischen Anforderungen der Zeit zu halten.
Nach sechs Jahren verließ ein gereifter Manet die Werkstatt seines Meisters und bezog sein eigenes Atelier. In der Rue Lavoisier richtete er sich mit der Unterstützung seines Malerfreundes Albert de Balleroy professionell ein. Seine präzisen Beobachtungen von Stadtszenen übertrug er hier auf seine Leinwände. Nur die finanzielle Sicherheit, die ihm sein Vater trotz großer Bedenken gewährte, ermöglichte Manets Anfänge als Künstler. Der französische Maler kannte die existenziellen Probleme nicht, in die Künstler aufgrund von Geldmangel geraten. Anstatt von Ungewissheit und Ängsten getrieben zu sein, bewegte sich der Flaneur des Pariser Nachtlebens mit einer selbstbewussten Selbstverständlichkeit durch die Kunstlandschaft seines Landes. Auch außerhalb der französischen Kunstwelt fühlte Manet sich wohl. Mehrmals besuchte er Italien, Deutschland, Österreich und Holland. Auf diesen vergnüglichen Kunstreisen lernte er internationale und berühmte Künstler und Intellektuelle wie Gustave Coubert und Charles Baudelaire kennen. Insbesondere mit Henri Fantin-Latour und Edgar Degas verband Manet lebenslange Freundschaften.

Künstlerischer Fortschritt trifft auf öffentlichen Widerstand

Vor allem zu den fortschrittlichen Denkern und Ideologien seiner Tage fühlte sich Manet hingezogen. Der Konsens unter den Progressiven war, dass die Gegenwart als Kunstgegenstand genutzt werden sollte – und nicht historische oder mythologische Geschichten. Für das konservative Kunstpublikum sowie für die Presse und die Kunstkritiker war diese künstlerische Veränderung zu turbulent. Aus heutiger Sicht mag es kaum verständlich sein, doch Manets Bilder lösten heftige Kontroversen aus. 1863 lehnte der Pariser Salon, der angesehenste Ausstellungsort jener Zeit, erstmals Manets Gemälde ab, mit der Begründung sie seien unwürdig. Zusammen mit anderen avantgardistischen Malern protestierte Manet gegen diese und ähnliche Benachteiligungen. Der Kaiser gab dem Druck nach. Alle abgelehnten Kunstwerke wurden im Salon des Refuses (zu Deutsch: Salon der Abgelehnten/Zurückgewiesenen) doch noch der Öffentlichkeit präsentiert.
Manets Werk mit dem Titel Le Dejeuner sur l’Herbe von 1863 schockierte die Besucher der Ausstellung am meisten. Die Betrachter verstanden die Anspielungen auf die Renaissance nicht. Weitaus provokativer war jedoch die nackte Frau, die wahrscheinlich eine Prostituierte darstellt und inmitten von adrett angezogenen Herren sitzt. Die Nackte blickt ohne die Spur von Scham aus der Leinwand heraus die Betrachter an. Kritiker verhöhnten das Ölgemälde als „unbescheiden“, „vulgär“, und „unkünstlerisch“: Beleidigungen, die Manet sich sehr zu Herzen nahm. Der ansonsten lebensfrohe Franzose fiel in eine schwere Depression und wurde von Selbstzweifeln übermannt. Manets Ego sowie sein persönlicher Ruf waren vorerst zerstört. Der Verzweifelte schrieb in einem Brief an seinen engen Freund Baudelaire: „Sie regnen Beleidigungen auf mich. Ich bin wahrhaftig noch nie zu einem solchen Tanz geführt worden.“
Dank seiner rebellischen Instinkte und der Hilfe von Baudelaire fand Manet trotz seines Scheiterns bald neuen Antrieb. Fast unwissentlich wurde der eigenwillige Maler zum Revolutionär der modernen Kunst. Wild entschlossen nahm er sich vor, dass Ausstellungssystem zu verändern. Manet war sich sicher: Sowohl der Salon als auch die Ecole des Beaux Arts mussten anders operieren als bisher. Doch verankert in seiner bürgerlichen Herkunft, blieb die Aufnahme in den Salon sein höchstes Erfolgsideal. Manets künstlerisches Ziel war der Erfolg im Salon. Nur als Künstler des Salons würde er sich als Maler bestätigt fühlen. Aber diese Aufnahme wollte er unter seinen Bedingungen erreichen. Die herrschenden Bedingungen des Salons dagegen empfand Manet als falsch und veraltet.

1862 starb Manets Vater. Erst nach dem Tod des Vaters sah sich der Maler imstande seine Suzanne zu heiraten, um die Liebesbeziehung endlich zu legitimieren. Zusammen mit seiner Ehefrau lebte er in der Rue des Batignolles und ging jeden Donnerstag in das Café Guerbois. Dort diskutierte und trank er mit seinen Freunden, darunter bekannte Namen wie Edgar Degas, Camille Pissarro, Emile Zola, Henri Fantin-Latour, Nadar, Paul Cézanne und bis 1868 Alfred Sisley, Claude Monet sowie Pierre-Auguste Renoir. Zola nannte seine Männertruppe „die Batignolles-Gruppe“. Wenig überraschend ist, dass der feurige Manet unter seinen Bekannten die führende Position eingenommen haben soll. Innerhalb dieser regelmäßigen Treffen schmiedeten die größten Talente der avantgardistischen Bewegung an neuen Plänen und Projekten. In den Werken der jeweiligen Männer ist die gegenseitige Inspiration und Beeinflussung gut zu erkennen. Gestärkt durch seine Freunde und Kollegen, konnten ihm die erneuten Ablehnungen des Salons im Jahr 1866 nichts mehr anhaben. Im Gegenteil: Manet veranstaltete als Reaktion darauf eine eigene öffentliche Ausstellung in seinem Atelier. Nach dem Ausschluss aus der bedeutenden Pariser Ausstellung „Exposition Universelle“ riss Manets Geduldsfaden endgültig. Fortan legte er dem Salon keine seiner Arbeiten mehr vor. Stur richtete er außerhalb des Gebäudes ein Zelt auf, indem er seine Werke zeigte.

1876 begann eine ernsthafte Erkrankung Manets Leben zu beeinträchtigen. Seine ersehnte Anerkennung vom Salon erhielt der reife Maler erst 1880 im Form einer Medaille für den zweiten Platz. Jedoch räumte ihm dieser Preis immerhin die Chance ein, bei zukünftigen Ausstellungen mitzumachen. Von seinem Krankenbett aus malte Manet weiterhin Porträts, Stillleben, Blumen und Landschaften. Mit 51 Jahren starb Manet an den Folgen seiner Krankheit.
Heutzutage zollen ihm zahlreiche große Museen und Galerien weltweit den Respekt, den sich Édouard Manet Zeit seines Lebens privat und beruflich sehnlichst wünschte.

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